Hochsensible Kinder verstehen und begleiten - Der Guide für Eltern
Als Elternteil eines hochsensiblen Kindes stehts du vor einzigartigen Herausforderungen im Alltag. Dieser Leitfaden soll dir helfen, dein hochsensibles Kind besser zu verstehen und es einfühlsam durch den Alltag zu begleiten. Von der Erkennung der Merkmale bis hin zu praktischen Tipps - erkunde mit diesem Artikel die Welt der Hochsensibilität.
Was genau ist eigentlich Hochsensibilität?
Hochsensibilität ist ein Begriff, der in den letzten Jahren immer häufiger diskutiert wird. Insbesondere im Zusammenhang mit der psychologischen und pädagogischen Forschung, die sich mit dem Verhältnis von hochsensiblen Menschen und der Reizüberflutung unserer Zeit auseinandersetzen. Hochsensibilität beschreibt nämlich ein Persönlichkeitsmerkmal, bei dem eine Person tiefergehend auf Reize aus der Umgebung reagiert als der Durchschnitt.
Das liegt an einem grundlegend anders funktionierenden Gehirn: Das Nervensystem von hochsensiblen Personen reagiert besonders empfindlich und nimmt sogar die kleinsten Reize und Informationen auf. Dies liegt daran, dass hochsensible Menschen im Vergleich zu anderen eine erhöhte Anzahl von Neurotransmittern haben. Neurotransmitter sind Botenstoffe im Gehirn, die die Übertragung von Informationen und Erregung zwischen Nervenzellen und anderen Zellen steuern. Im Normalfall verfügt das Nervensystem über einen Filter, der die wichtigen von den unwichtigen Informationen trennt. Bei hochsensiblen Personen scheint dieser Filter nicht in gleicher Weise zu funktionieren.
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Der Begriff "Hochsensibilität" wurde maßgeblich von der Psychologin Dr. Elaine Aron geprägt, die in den 1990er Jahren das Konzept in ihrer Forschung untersuchte und veröffentlichte. Sie definiert hochsensible Menschen als Personen, die empfindlicher auf äußere Reize reagieren, tiefer nachdenken und subtilere Nuancen wahrnehmen als andere.
Welche Merkmale hochsensible Menschen haben und wie genau du auf das Persönlichkeitsmerkmal aufmerksam wirst, erfährst du im nächsten Abschnitt.
Früher wurden Merkmale von Hochsensibilität oft als ungewöhnlich oder abweichend angesehen, aber nicht definiert. Experten gehen davon aus, dass schon immer 15-20 Prozent der Menschen typische Eigenschaften einer hochsensiblen Persönlichkeit zeigen. Der Begriff der Hochsensibilität bietet heutzutage nun einen alternativen Rahmen für die Betrachtung von solchen Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensweisen. Sie ermöglicht es Menschen, ihre Sensibilität als eine Quelle von Stärke und Einzigartigkeit anzuerkennen, anstatt sie als Schwäche zu betrachten.
Ist dein Kind hochsensibel? Merkmale und Erkennung
Hochsensibilität bei Kindern ist ein Aspekt der Persönlichkeit, der oft übersehen wird, aber einen bedeutenden Einfluss auf ihr Verhalten und ihre Interaktionen mit der eigenen Umwelt haben kann. Hochsensible Kinder nehmen Reize intensiver wahr und verarbeiten sie auf tieferer Ebene als ihre Altersgenossen.
Merkmale von Hochsensibilität können wie folgt aussehen:
- Starke Empfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen:
Hochsensible Kinder sind schnell überstimuliert oder überwältigt von äußeren Reizen wie Lärm, Licht, Gerüche oder Kleidung. Besonders äußert sich das in lauten und hektischen Umgebungen. - Erhöhte Sensibilität für emotionale Stimmungen:
Hochsensible Kinder können sehr empathisch sein und Gefühle anderer intuitiv wahrnehmen. - Skeptische Reaktion auf Veränderung:
Hochsensible Kinder können ängstlich und zurückhaltend sein, wenn sie neue Menschen oder Umgebungen kennenlernen, da sie diese sehr intensiv verarbeiten.
Die Erkennung von Hochsensibilität bei Kindern erfordert ein genaues Beobachten ihrer Verhaltensweisen und Reaktionen. Als Elternteil solltest du auf Anzeichen wie übermäßige Empfindlichkeit, starke emotionale Reaktionen und Schwierigkeiten bei der Anpassung an neue Situationen achten. Die Einbeziehung von Lehrern und anderen Betreuungspersonen kann ebenfalls hilfreich sein, um ein umfassendes Bild des Verhaltens des Kindes zu erhalten.
Wie Hochsensibilität das Verhalten von Kindern beeinflusst
Hochsensibilität kann das Verhalten von Kindern in vielerlei Hinsicht beeinflussen. Aus den verschiedenen Merkmalen von Hochsensibilität, die eben vorgestellt wurden, ergeben sich typische Verhaltensweisen, die die Hochsensibilität bei Kindern meistens erst „auffliegen lassen“. Einige der klassischsten hochsensiblen Verhaltensweisen sind hier aufgelistet:
- Vorsicht und Zurückhaltung:
Aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegenüber neuen Situationen und Veränderungen können hochsensible Kinder vorsichtig sein und Zeit benötigen, um sich anzupassen. Sie können schüchtern oder zurückhaltend wirken, insbesondere in sozialen Situationen. - Bedürfnis nach Rückzug und Ruhe:
Aufgrund ihrer empfindlichen Natur benötigen hochsensible Kinder oft Zeit für sich selbst, um sich zu erholen und sich zu regenerieren. Sie schätzen ruhige und friedliche Umgebungen und können sich in überstimulierenden Situationen schnell gestresst fühlen. - Intensive emotionale Reaktionen:
Hochsensible Kinder erleben oft intensive Emotionen und können stark auf die Stimmungen anderer reagieren. Sie sind besonders empfänglich für subtile emotionale Nuancen und können tiefe Empathie für andere zeigen. Dadurch kann es sein, dass ein eigentlich sehr sanftmütiges Kind vom einen auf den anderen Moment sehr aggressiv werden kann, wenn es überfordert ist. Gleichzeitig erleben hochsensible Kindern Trauer und Freude viel intensiver als andere Kinder. - Kreative Ausdrucksformen:
Viele hochsensible Kinder sind kreativ und haben ein ausgeprägtes ästhetisches Empfinden. Sie können sich durch Kunst, Musik oder Geschichtenerzählen ausdrücken und finden oft Freude an künstlerischen Aktivitäten. - Tiefe Denkweise und viel Interesse:
Hochsensible Kinder neigen dazu, über ihre Umgebung und ihre eigenen Gefühle intensiv nachzudenken. Sie stellen häufig viele Fragen und zeigen ein starkes Interesse an komplexen Themen.
Stärken erkennen und fördern
Hochsensibilität bei Kindern bringt eine Vielzahl von Stärken mit sich, die oft übersehen werden können. Erkennt man diese Stärken, hilft man dem Kind maßgeblich dabei, sich weiterzuentwickeln und ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen. Aber wie sehen die Stärken von hochsensiblen Kindern nun konkret aus? Die können natürlich von Kind zu Kind verschieden sein. Trotzdem gibt es einige Stärken, die sich besonders häufig bei hochsensiblen Kindern beobachten lassen:
- Empathie und Mitgefühl:
Hochsensible Kinder zeigen oft eine tiefe Empathie für andere und können sich gut in deren Gefühle hineinversetzen. Sie sind sensibel für die Bedürfnisse anderer und können dadurch mitfühlende Freunde und Zuhörer sein. - Vorstellungskraft:
Viele hochsensible Kinder sind kreativ und haben eine lebhafte Vorstellungskraft. Sie können komplexe Ideen erfassen und innovative Lösungen für Probleme finden. Ihre Kreativität zeigt sich oft in Kunst, Musik, Geschichtenerzählen und anderen künstlerischen Ausdrucksformen. - Tiefe Wahrnehmung und Beobachtungsgabe:
Hochsensible Kinder nehmen ihre Umgebung oft intensiver wahr und sind in der Lage, subtile Details und Nuancen zu erkennen, die anderen möglicherweise entgehen. Diese Fähigkeit zur tiefen Wahrnehmung kann ihnen helfen, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und sich in verschiedenen Situationen zurechtzufinden. - Reflektionsfähigkeit:
Hochsensible Kinder denken sehr tiefgründig nach. Und das nicht nur über ihre Umwelt, sondern auch über sich selbst. Daher reflektieren sie sehr gut und erkennen schnell, was richtig und was falsch ist.
Umgang mit Herausforderungen – Wie du dein hochsensibles Kind optimal unterstützen kannst
Der Umgang mit den Herausforderungen, denen hochsensible Kinder gegenüberstehen, erfordert ein einfühlsames und unterstützendes Umfeld, besonders von Seiten der Eltern – also von deiner Seite - aus. Hier sind einige Möglichkeiten, wie du als Elternteil dein hochsensibles Kind optimal fördern und unterstützen kannst, damit es gut im Alltag zurechtkommt:
- Verständnis und Akzeptanz:
Es ist wichtig, dass du das hohe Maß an Sensibilität deines Kindes verstehst und akzeptierst. Indem du die Bedürfnisse und Reaktionen deines Kindes respektierst und validierst, kannst du dazu beitragen, das Selbstwertgefühl des Kindes zu stärken und ein unterstützendes Umfeld zu schaffen. - Sensibles Kommunikationsverhalten:
Du solltest einfühlsam und geduldig mit deinem hochsensiblen Kind kommunizieren. Du sollten darauf achten, nicht überfordernd zu sein und deinem Kind Zeit und Raum zu geben, um seine Gedanken und Gefühle auszudrücken. - Schaffen eines anregungsarmen Umfelds:
Hochsensible Kinder können leicht von übermäßiger Reizüberflutung überfordert sein. Du kannst helfen, indem du eine ruhige und strukturierte Umgebung schaffst, die deinem Kind die Möglichkeit gibt, sich zurückzuziehen und zu entspannen, wenn nötig. - Förderung von Selbstregulation:
Du kannst dein hochsensibles Kind dabei unterstützen, seine eigenen Emotionen zu erkennen und zu regulieren. Dies kann durch das Modellieren von gesundem Umgang mit Emotionen, das Erlernen von Stressbewältigungstechniken und das Anbieten von unterstützenden Strategien geschehen. - Aufbau von Selbstvertrauen:
Durch die Ermutigung zu neuen Herausforderungen und das Feiern von Erfolgen kannst du das Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeit deines hochsensiblen Kindes stärken. Es ist wichtig, dass du dein Kind darin bestärkst, an sich selbst zu glauben und seine individuellen Stärken zu erkennen und zu schätzen.
Praktische Erziehungstipps
Da du jetzt schon über die Stärken, Schwächen und Umgangsmöglichkeiten mit der Hochsensibilität deines Kindes bescheid weißt, sind nun hier noch ein paar Tipps und Regeln für den Alltag aufgelistet. Diese müssen nicht zwingend bei allen Kindern funktionieren, können aber für dich einen Anhaltspunkt geben, an dem du dich orientieren kannst.
- Beziehe dein Kind in alltägliches Problemlösen mit ein. Das zeigt Wertschätzung und hilft, schwierige Situationen trotz Hochsensibilität super gut zu meistern. So lernt dein Kind, dass es immer Kontrolle auch über überfordernde Situationen haben kann.
- Feiere die Stärken deines Kindes. Wenn du Erfolge und Fortschritte anerkennst und wertschätzt, stärkt das das Selbstbewusstsein deines Kindes.
- Biete Möglichkeiten zur kreativen Selbstentfaltung. Ermutige dein Kind zur Durchführung von kreativen Ausdrucksformen. Lege ruhig einmal am Tag ein Zeitfenster fest, in dem dein Kind ganz seinen kreativen Gedankengängen nachgehen kann.
- Klare Grenzen sind für dein Kind wichtig, um Sicherheit und Orientierung zu haben. Auch wenn eine emotionale und empathische Umgangsform mit deinem Kind im Vordergrund steht, heißt das nicht, dass du nicht klare Grenzen setzen darfst.
Wann professionelle Hilfe in Betracht gezogen werden sollte
Hochsensibilität bei Kindern ist eine normale und natürliche Variation der Persönlichkeit, die viele positive Eigenschaften mit sich bringt. Dennoch gibt es Situationen, in denen professionelle Hilfe in Betracht gezogen werden sollte, um sicherzustellen, dass das Kind angemessen unterstützt wird.
Beobachte dein Kind und versuche folgendes festzustellen:
- Leidet dein Kind an seiner Hochsensibilität (z.B. in Form von Angst, Depression oder anhaltende Instabilität)?
- Hat dein Kind erhebliche Schwierigkeiten in seinem sozialen Umfeld (z.B. beim Freunde kennenlernen oder in Konflikte mit Gleichaltrigen)?
- Begeht dein Kind Selbstverletzung (z.B. in Form von übermäßigem Risikoverhalten)?
- Treten sonstige Auffälligkeiten wie Schlafstörungen oder Essstörungen auf?
In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, professionelle Hilfe von einem Kinderpsychologen, Therapeuten oder Facharzt in Anspruch zu nehmen. Diese Fachleute können eine umfassende Bewertung vornehmen und geeignete Interventionen und Unterstützungsmöglichkeiten empfehlen, um das Kind dabei zu unterstützen, seine Herausforderungen zu bewältigen und sein Wohlbefinden zu verbessern.
Ressourcen für Eltern – Wie kannst du dich als Elternteil informieren?
Dieser Artikel reicht dir noch nicht? Dann kannst du dich hier noch weiter informieren:
Bücher und Fachliteratur:
Es gibt eine Vielzahl von Büchern und Fachliteratur, die sich mit dem Thema Hochsensibilität bei Kindern befassen. Diese Bücher bieten fundierte Informationen, praktische Ratschläge und Tipps für den Umgang mit hochsensiblen Kindern.
Beispiel: "Das hochsensible Kind" von Elaine N. Aron und "Hochsensibel - Was tun?" von Sylvia Harke
Online-Ressourcen und Websites: Das Internet bietet eine Fülle von Online-Ressourcen und Websites, die sich mit dem Thema Hochsensibilität bei Kindern beschäftigen. Dort findest du Informationen, Artikel, Blogs, Foren und Online-Communities, in denen sie sich mit anderen Eltern austauschen und Erfahrungen teilen können.
Beispiel: "Hochsensibel.org"
Fachleute und Experten: Eltern können auch direkt Fachleute und Experten konsultieren, wie Kinderpsychologen, Therapeuten oder Pädagogen, die über Erfahrung und Fachwissen im Umgang mit hochsensiblen Kindern verfügen. Diese Fachleute können eine umfassende Beratung und Unterstützung bieten und individuelle Fragen und Anliegen der Eltern adressieren.